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Sportmarketing heute: Nicht mehr nur das Spiel, sondern die Menschen zählen

Imogene Robinson
Imogene Robinson
Writer
Länge 7 Min. Lesezeit
Datum August 7, 2025
Sportmarketing heute: Nicht mehr nur das Spiel, sondern die Menschen zählen

Sieg verkauft. Jahrzehntelang folgte Sportmarketing dieser elegant einfachen Logik.

Marken jagten Sieger, verbündeten sich mit Dynastien und zahlten Premiumpreise für Podestplätze.

Doch jetzt ändert sich alles.

Während die Sportwelt in ein neues Zeitalter des Post-Live-Engagements eintritt, wird Sportmarketing durch nicht-traditionelle Akteure disruptiert – mit unkonventionellen Inhalten in unkonventionellen Medienräumen.

TL;DR: Ein:e charismatischer Mittelklasse-Athlet :in mit starker Persönlichkeit und Twitch-Account kann für Sponsoren wertvoller sein als ein rekordbrechender Champion mit PR-Team.

Das ist der Triumph der Persönlichkeit über die Leistung. Und er verändert grundlegend, wie Marken Sport-Partnerschaften betrachten.

This legendary meme of the outrageously flamboyant golfer John Daly looking unimpressed by golfing icon Tiger Woods perfectly illustrates the power of personality

Wenn Persönlichkeit punktet

Im neuen Zeitalter des Post-Live-Engagements im Sport ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Gen Z niemals Live-Sport schauen wird, doppelt so hoch wie bei den Millennials.

Immer weniger junge Menschen identifizieren sich als Sportfans.

Doch in dieser Landschaft erleben einige Sportarten plötzlich einen Boom.

  • Die Formel-1, einst ein europäisches Nischenprodukt, zählt heute 826 Millionen Fans weltweit – und verjüngt ihr Publikum radikal: Der Altersdurchschnitt sank von 44 auf 32 Jahre, während Frauen und US-Zuschauer:innen deutlich aktiver zuschauen.
  • Die WNBA verzeichnete 2024 historische Rekorde: Mit über 54 Millionen Zuschauer:innen auf TV- und Streaming-Plattformen, einem Besucherplus von 48 % (2,3 Mio.) sowie Höchstwerten bei digitaler Nutzung und Merchandise-Umsatz.
  • Auch der professionelle Golfsport erlebt eine Renaissance. Die Schlussrunde der Masters 2025, die Rory McIlroy gewann, zog ein großes Publikum an und wurde zur meistgesehenen Finalrunde seit 2018. CBS meldete durchschnittlich 12,7 Millionen Zuschauer:innen – ein Anstieg von 33 % im Vergleich zur Finalrunde 2024, mit Spitzenwerten von bis zu 19,5 Millionen Zuschauer:innen.

Während einige Sportarten um Aufmerksamkeit kämpfen, gewinnen diese hier die Herzen der Fans.

Mit dem Aufstieg dieser Sportarten ist eine Flut neuer Marketingbegriffe entstanden – insbesondere der „Caitlin Clark-Effekt“ und der „Drive to Survive-Effekt“, Letzterer bezieht sich auf die beliebte Netflix-Sportdokuserie und ihr Schwesterformat „Full Swing“.

Doch während Caitlin Clark und Netflix zweifellos die Bekanntheit dieser Sportarten gesteigert haben, sind es eigentlich die Persönlichkeiten einiger unerwarteter Athleten, die eine nachhaltige Fangemeinde unter den neuen Zuschauer:innen geschaffen haben.

Daniel Ricciardo etwa wurde dank seines australischen Charmes und jugendlichen Wesens schnell zum Liebling sowohl von „Drive to Survive“ als auch der Formel-1-Paddock. Die Fans liebten ihn so sehr, dass er trotz nachlassender Leistung Saison für Saison aus einem vorzeitigen Ruhestand geholt wurde – für ein kurzes Comeback als Fahrer bei AlphaTauri, dem Schwesterteam von Red Bull.

Die magnetische Anziehungskraft von charismatischen Mittelfeld-Athlet:innen wie Ricciardo hat diese Sportler:innen zu eigenständigen Marken gemacht. Ihre Rolle in Sponsoring-Partnerschaften beschränkt sich nicht mehr auf Produktwerbung – sie sind gleichzeitig Medienunternehmen, Content-Creator und kulturelle Influencer.

In der Welt des Profi-Golfs katapultierte Full Swing Joel Dahmen vom unbekannten PGA-Tour-Mitglied zum Fanliebling. Sein selbstironischer Humor und seine authentischen Kämpfe mit dem Spiel trafen derart einen Nerv, dass sein Social Media Engagement von 2022 bis 2023 um 1.600 % explodierte – der Sponsor-Media-Wert pro Post stieg sogar um satte 665 %.

The internet's reaction to StudBudz.

Während des WNBA All-Star Weekends 2025 starteten die Minnesota Lynx-Spielerinnen Courtney Williams und Natisha Hiedeman – als Duo “StudBudz” bekannt – einen 72-stündigen Twitch-Livestream, der die Möglichkeiten von Athleten-generierten Inhalten grundlegend neu definierte.

Der erfrischend unverblümte Stream war eine Mischung aus Buddy-Comedy und Dokumentation und erreichte über 300.000 Aufrufe. Er bewies perfekt, wie persönlichkeitsgetriebene Inhalte sportliche Leistungen übertreffen können.

Obwohl weder Williams noch Hiedeman All-Stars waren, schufen ihre sich ergänzenden Persönlichkeiten ein fesselnderes Seherlebnis als viele traditionelle Sportübertragungen.

Ihre Freundschaft wurde zum Hauptprodukt – der Sport zur Kulisse.

Playbook für Partnerschaften mit Persönlichkeit

Für Marken und Vermarkter, werden die erfolgreichsten Partnerschaften der Zukunft nicht mit den leistungsstärksten Athlet:innen eingegangen – sondern mit denen, die authentische Verbindungen zu ihrem Publikum über alle Plattformen hinweg aufbauen können.

Doch wie nutzen Marken diesen Wandel? Die Antwort liegt in einem radikalen Neudenken von Sport-Sponsoring.

Ihr Fahrplan für echte Connections im Zeitalter der Persönlichkeits-getriebenen Sportwelt:

Beginnen Sie mit Social Listening, nicht mit Statistiken.
Bevor Sie sich überhaupt die Siege von Athlet:innen ansehen: Analysieren Sie ihre Social Media Präsenz. Welche Gespräche werden initiiert? Wie reagiert das Publikum? Suchen Sie nach Engagement Raten, die über der Follower-Zahl liegen – das erste Zeichen authentischer Verbindung. Tools wie Brandwatch oder Sprout Social helfen, Athlet:innen zu finden, deren Persönlichkeiten bereits Resonanz erzeugen – selbst ohne Top-Leistungen.

Denken Sie Content-Partnerschaft, nicht Werbevertrag.
Das ‘StudBudz’-Phänomen entstand nicht, weil Williams und Hiedeman Produkte in die Kamera hielten. Es entstand durch 72 Stunden ungefilterten, authentischen Contents, dem Fans nicht widerstehen konnten. Gestalten Sie Partnerschaften mit kreativer Freiheit und Content-Budgets. Geben Sie Athleten Ressourcen, um Geschichten zu erzählen, die Ihre Marke natürlich einbinden – nicht erzwungene Werbesprüche.

Setzen Sie auf die Nebendarsteller.
Ihr:e nächster Markenbotschafter:in könnte der sechste Mann auf der Bank oder die Mittelfeld-Pilotin sein, die die Boxengasse zum Lachen bringt. Diese Athlet:innen haben oft mehr Zeit für Content, tiefere Verbindungen zu Nischen-Communities – und deutlich geringere Partnerschaftskosten. Entwickeln Sie ein Bewertungssystem, das persönlichkeitsgetriebenen Wert gleichberechtigt mit Leistungsdaten berücksichtigt.

Plattform-Vielfalt ist Pflicht.
Der Erfolg der ‚StudBudz‘ kam davon, dass sie Fans dort trafen, wo diese eh schon waren – auf Twitch. Ihre Partnerschaftsstrategie muss Plattformen abdecken: von TikToks Kurzform-Storytelling über Discords Community-Bildung bis zu Twitchs Live-Engagement. Unterschiedliche Athlet:innen glänzen auf unterschiedlichen Plattformen – also matchen Sie Persönlichkeiten mit ihren stärksten Kanälen, statt alle ins gleiche Social Media-Schema zu pressen.

Langfristige Erzählbögen entwickeln.
Die besten Athlet:innen-Geschichten entfalten sich nicht in Einzelposts oder Kurzzeitkampagnen, sondern über Saisons, Karrieren und Lebensphasen hinweg. Gestalten Sie Partnerschaften mit Raum für evolutionäres Storytelling – Comeback-Geschichten, Rookie-Entwicklungen oder die Rolle des erfahrenen Mentors. Diese fortlaufenden Erzählstränge schaffen tiefere emotionale Bindungen als jeder einzelne Triumphmoment.

Denken Sie über klassische Kennzahlen hinaus.
Engagement-Raten sind wichtiger als Reichweite. Sentiment-Analysen zählen mehr als Impressionen. Definieren Sie KPIs, die die neue Realität abbilden: Community-Wachstum, Qualität der Dialoge, Shareability von Inhalten und Markenaffinität in hoch engagierten Nischen-Communities. Eine leidenschaftliche Fangemeinde von 50.000 kann wertvoller sein als 500.000 passive Zuschauer.


Auf Langzeitstrategie setzen

Wir erleben die Demokratisierung des Sporteinflusses – wo Persönlichkeit und Authentizität das Spielfeld ebnen können, wie es reine Athletik niemals vermochte.

Selbst bei Sportler:innen wie Ilona Maher, einer Rugby-Starspielerin, überstrahlt wohl nur eines konstant ihre Leistung auf dem Feld: ihre Persönlichkeit abseits davon.

Die Marken, die diesen Wandel im Sporteinfluss früh erkennen und ihre Partnerschaftsstrategien anpassen, werden tiefere, nachhaltigere Verbindungen zu ihren relevantesten Zielgruppen aufbauen.

Die Zukunft des Sportmarketings besteht nicht darin, den nächsten Tiger Woods oder Michael Jordan zu finden. Sondern den nächsten Daniel Ricciardo oder das nächste StudBudz-Duo: Athlet:innen, die verstehen, dass es in der heutigen zersplitterten Medienlandschaft wichtiger ist, im Gedächtnis zu bleiben als perfekt zu sein – und authentischer zu sein als der/die Beste.

Das Podest gehört den Champions. Aber die Unterhaltung gehört den Persönlichkeiten. Und in einer Welt, in der Aufmerksamkeit die ultimative Währung ist, liegt genau in dieser Unterhaltung der wahre Wert.

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