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Sind AMP und Instant Articles eine Sackgasse

Tobias Kräft
Tobias Kräft
Head of Data & Intelligence
Länge
6 Min. Lesezeit
Datum
4 August 2016

Wer behauptet, dass der Medienmarkt in heller Aufruhr ist, kann sich getrost auf der sicheren Seite sehen. Auf dem Markt reihen sich Start-ups aneinander, die alle versprechen, den Journalismus zu revolutionieren. Facebook fördert den Conversational Journalism über die Freigabe der Messenger-Schnittstelle und bringt zusätzlich die Instant Articles auf den Markt, während Google hingegen seine News Initiative ausbaut, um besagte Start-ups zu fördern und gleichzeitig den AMP-Standard veröffentlicht.

Während die Messenger-Schnittstelle und Medien-Start-ups sehr interessante Themengebiete sind, soll hier jedoch der Fokus auf den Instant Articles und AMP liegen.

Instant Articles und AMP für eine schnellere Ladezeit

Google und Facebook als Größen des Internets haben sich nun in Stellung gebracht. Jede Person kann Artikel direkt als Facebook Instant Article veröffentlichen, damit die Nutzer:innen von kurzen Ladezeiten profitieren können. Gleichzeitig sinkt die Einstiegshürde, denn Facebook muss nicht mehr verlassen werden, was mehr Nutzer:innen dazu bringen könnte, die eigenen Artikel zu lesen.

Als panische Reaktion auf die Ankündigung der Facebook Instant Articles hat Google das AMP-Projekt ins Leben gerufen. AMP ist zusammengefasst nichts anderes als ein Framework, welches perfekt auf die Bedürfnisse Googles angepasst wurde. Laut Google geht es im Kern darum, dass die Ladezeiten optimiert werden und die Nutzer:innen der mobilen Suche so ein besseres Nutzungserlebnis haben. Wie bei den Instant Articles ist die Ladezeit hier für viele Nutzer ein zentraler Faktor, ob sich mit einem Artikel eingehender beschäftigt wird oder nicht. Zusätzlich zum Ladezeitvorteil gewährt Google den Verlagen außerdem Sonderpositionen für AMP-Seiten in den Google News-Ergebnissen.

Die trojanischen Pferde

Nun sind kürzere Ladezeiten und mehr Nutzer im Prinzip eine extreme Verbesserung. Sobald man sich aber die Bedingungen hierfür anschaut, fallen zwei große Kritikpunkte ins Auge.

1. Inhalte werden nicht mehr im eigenen System publiziert

Wer Inhalte im AMP-Standard aufbereitet, bindet sich an Google. Um AMP nutzen zu können, ist es nötig, externe JavaScript-Dateien nachzuladen, auf die die Websitebetreibenden keinen Einfluss haben. Gelangen die Nutzer:innen zudem über Google News auf eine AMP-Seite, werden diese nicht auf die Website geleitet, sondern befinden sich weiterhin in Googles AMP-System. Effektiv gesehen, werden also keine Websitenutzer:innen, sondern nur Artikelnutzer:innen gewonnen.

Facebook geht sogar noch einen Schritt weiter und lässt die Publisher ihre Inhalte direkt auf der Plattform publizieren, was die Nutzer:innen zwar zum Lesen bringt, diese aber nicht auf die eigene Plattform leitet.

Wenn Facebook und Google ihre Marktmacht auf den Medienbereich ausweiten können, wird die Abhängigkeit von diesen Formaten noch steigen. Der Journalismus muss sich spätestens dann, wenn sie von einigen wenigen Plattformen und ihren suppressiven Formaten abhängig sind, Gedanken über ihre Unabhängigkeit machen. Denn wer garantiert, dass diese Plattformen unabhängig sind?

2. Dem Journalismus werden die Hände gebunden

AMP und Instant Articles berauben den Medienhäusern ihre Gestaltungsmöglichkeiten. Beide Formate sind restriktiv aufgestellt, was Designs, Animationen, interaktive Grafiken und andere moderne Aufbereitungsmöglichkeiten angeht.

Früher waren Verlage die Gatekeeper für Informationen. In Zeiten des Internets sind Verlage nicht mehr dafür zuständig, Informationen verfügbar zu machen, sondern diese für Nutzer:innen ansprechender und hochwertiger als jemals zuvor aufzubereiten. Mit AMP und Instant Articles ist es nur schwer bis gar nicht möglich, einzigartige und neue Formate zu erschaffen. Wer sich aber nicht abheben kann, wird den Monetarisierungsdruck in Zukunft immer stärker spüren. Die Konsequenzen sind dann noch mehr Clickbaiting und Hetze, damit die eigenen Inhalte überhaupt aus der Masse hervorstechen können.

Wer heute blind DPA-Meldungen im AMP-Format und als Instant Articles veröffentlicht, kann dies auch weiterhin tun. Einerseits steckt für die Verlage kaum Aufwand dahinter, DPA-Meldungen umzuschreiben oder direkt zu veröffentlichen, andererseits sind dies die initialen Traffic-Bringer für die Verlage. Suboptimal wird es dann, wenn dieser Traffic nicht mehr ins eigene System geleitet werden kann.

Wohin sollen die Entwicklungen gehen?

Anstatt auf AMP und Instant Articles zu setzen, sollte lieber mehr Kraft in die Entwicklung eines eigenen Systems und die Erstellung von einzigartigen Inhalten gesetzt werden. Mit neuen Technologien wie HTTP2, PHP FPM, PHP7, den prefetch-, prerender- und preload-Funktionen sowie einer sauber entwickelten Websitearchitektur kann jede Seite so schnell oder schneller als Google AMP werden, ohne sich auf eine HTML-Basis beschränken zu müssen.

Wer seine Inhalte nur auf DPA-Meldungen oder Netzfundstücke stützt und diese genauso wie alle anderen Verlage aufbereitet, wird vielleicht nicht heute, aber in den nächsten Jahren Probleme bekommen. Denn die Verlage haben mit ihrem „Wir schreiben Artikel für Artikel“-System keine Alleinstellungsmerkmale mehr. Blogger:innen können auch schreiben. Oft schreiben diese sogar besser, weil jede:r Blogger:in in den eigenen Nischen verhaftet ist und meist mehr Expertise aufweisen kann als ein Verlagsautor, welcher verschiedenste Fachbereiche gleichzeitig abdecken muss. YouTuber:innen können auch Videos machen. Oft sogar besser, weil diese auch in den einzelnen Nischen verhaftet sind und dadurch näher an den Nutzer:innen sind. Jede Person mit Internet kann heutzutage Journalismus machen. Alle dafür benötigten Informationen sind für alle frei zugänglich verfügbar und so sprießen Magazine und Plattformen wie Pilze aus dem Boden. Heute geht es darum, wer Inhalte am besten aufbereiten kann. Können die besten Inhalte des Internets mit Formaten wie AMP oder Instant Articles geschaffen werden? Ich wage es zu bezweifeln.

Anstatt sich in die Abhängigkeit von anderen Plattformen zu begeben, sollten sich etablierte Medienmarken darauf fokussieren, dass sie ihre eigenen Inhalte auf ein nie dagewesenes Qualitätslevel bringen, diversifizierte Traffic-Kanäle erschließen, ein einzigartiges System entwerfen und dieses stetig verbessern.

Klingt nach einer Sisyphus-Aufgabe. Aber zum Glück steht diese Entwicklung erst am Anfang. Noch ist nichts verloren.

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