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Ist Eigentum veraltet?

Gesine Meitler
Gesine Meitler
Director Marketing & Business Development
Länge
7 Min. Lesezeit
Datum
24 November 2021

Beim Meta Festival 2021 kamen über 40 renommierte Speaker:innen und führende Köpfe aus Marketing, Tech und E-Commerce zusammen. Im dritten Panel tauschten Maria Spilka, Oliver Lange, Thomas Chabin und Dr. Tim Wiegels ihre Ideen zu Sharing-Konzepten aus und sprachen über die Wirksamkeit neuer Technologien für eine nachhaltige Modeproduktion. Hier sind die drei wichtigsten Erkenntnisse aus der Diskussion.

Wie neue Konzepte den Weg für nachhaltigere Mode bereiten

Sharing is Caring

Wer dachte, dass Sharing ein neuer Trend ist, hat sich getäuscht. Das Waschen in Waschsalons, das Ausleihen von Büchern oder das Leben in Wohngemeinschaften wird schon seit Jahren praktiziert. Warum sollten wir Sharing-Konzepte also nicht auf neue Bereiche wie Mode ausweiten? Bewegungen wie Fridays for Future regen Menschen dazu an, ihren Konsum zu hinterfragen und nach Alternativen zu suchen. Secondhand-, Sharing- und Mietmodelle bieten Lösungen, um nachhaltiger zu handeln. Unternehmen und Kampagnen wie Mädchenflohmarkt und H&Mbeyond machen es bereits vor und beweisen, dass diese Konzepte nicht nur mit unserem Gewissen vereinbar, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich sind. 

Da immer mehr Menschen einen bestimmten Look für einige Tage, Wochen oder Monate ausprobieren wollen, nimmt das Bedürfnis, eigene Kleidung zu besitzen, ab. An dieser Stelle kommt Sharing ins Spiel. Und das Beste daran ist, dass wir heutzutage nicht mehr durch unsere unmittelbare Umgebung eingeschränkt sind. Die globale Digitalisierung ermöglicht ein perfektes Matching von Angebot und Nachfrage, da wir über unsere geografischen Grenzen hinaus nach Artikeln und Möglichkeiten suchen können. 

Doch obwohl Secondhand oder Sharing eine grössere Vielfalt als früher bieten und grösstenteils günstiger als ein Neukauf sind, nutzen nur wenige Menschen diese Möglichkeiten in der Modewelt. Das Problem ist, dass es noch nicht genug Optionen gibt. Nachhaltige Kleidung anzubieten ist eine Sache, die Verbraucher:innen zu einer nachhaltigen Kaufentscheidung zu bewegen eine andere. Hier besteht die Hauptaufgabe der Unternehmen darin, das Angebot besser zugänglich zu machen. Je mehr Marken Secondhand-, Miet- und andere Konzepte anbieten, desto populärer und attraktiver wird es für die Konsument:innen.

Die Diskussionsteilnehmer:innen des Meta Festivals waren sich in einem Punkt einig: Um Nachhaltigkeit für alle zugänglich zu machen, darf sie kein Luxus sein, sondern muss demokratisiert werden. 

Technologie ebnet den Weg

Es muss ein Umdenken in der Modeindustrie stattfinden, damit Ressourcen nachhaltiger gehandelt werden. So kann Mode wieder mehr Freude bereiten, statt ständig gegen unser schlechtes Gewissen anzukämpfen. Zirkuläres Denken ist bei der Planung künftiger Modeproduktionen unerlässlich, da der Lebenszyklus von Kleidung immer kürzer wird. 

Anstatt aussortierte Kleidung wegzuwerfen, sollte sie in den Kreislauf zurückgeführt werden. Oliver Lange, Head of H&Mbeyond, glaubt, dass in den nächsten 10 Jahren mindestens 20% der Kund:innen Kleidung in Form von zirkulären Initiativen nutzen werden, zu denen Secondhand, Sharing und Verleih gehören. Natürlich wird die Produktion neuer Kleidungsstücke nicht völlig überflüssig werden, denn Mode wird aufgrund neuer Trends ständig neu erfunden. Aber um eine nachhaltige Produktion zu gewährleisten, müssen Technologien weiterentwickelt werden. So können Marken durch die Wiederverwendung von Materialien hochwertige Mode herstellen. 

Die Kunst besteht darin, Produkte von Grund auf neu zu konzipieren, und zwar so, dass sie am Ende des Zyklus noch einen Mehrwert für die Besitzer:innen haben. Technologie wird ein absoluter Game Changer sein, aber nicht nur im Bereich der Produktion. Technische Lösungen können uns auch dabei helfen, zu bestimmen, was und wie viel benötigt wird. Es ist fraglich, wie viel überhaupt im Voraus produziert werden muss. Können wir uns der Massenproduktion entziehen, indem wir – wenn auch nur teilweise – auf die Produktion nach Bedarf umstellen? In Zukunft werden wir die Bedürfnisse der Kund:innen genauer einschätzen können und die Produktion an den tatsächlichen Bedarf anpassen.

Die bereits wachsende digitale Präsenz im Metaversum könnte auch unnötige Bestellungen reduzieren. Bereits heute können wir Avatare in unserer exakten Form und Grösse erstellen, die es ermöglichen, Kleidung virtuell anzuprobieren. Das Konzept der On-Demand-Mode kann auch für massgeschneiderte und ausgefallenere Modelinien genutzt werden. Gleichzeitig werden die Unternehmen ihren ökologischen Fussabdruck verringern. Aber wenn wir das Ziel der Dekarbonisierung erreichen wollen, müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden – von der Produktion über die Materialien bis hin zu Verkauf und Konsum.

In den nächsten Jahren werden wir vermehrt Innovation im Produktionssektor sehen.

Oliver Lange, Head of H&Mbeyond

Der Mix macht den Unterschied

Bei all dem Gerede über Zukunftspläne dürfen wir nicht vergessen, dass es jetzt an der Zeit ist, zu handeln. Wir sollten nicht nur an das Ideal denken, das in ein paar Jahren kommen wird, denn dieses Ideal kann schon jetzt gelebt werden. Jede:r weiß, wie schwierig es ist, das eigene Verhalten von einem Tag auf den anderen zu ändern. Daher sollten wir in kleinen Schritten denken und uns nicht zu Beginn überfordern, denn auch mit kleinen Schritten können wir das Ziel erreichen. 

Ein Konsum-Mix aus verschiedenen Quellen ist schon heute möglich, womit sich jede:r von uns langsam herantasten und das Gleichgewicht zwischen Neu- und Gebrauchtkauf, Sharing und Mieten bestimmen kann. Die beiden letztgenannten Möglichkeiten sind in der Modewelt besonders neu und werden grosse Veränderungen mit sich bringen. Aber könnte dieser Wandel auch bedeuten, dass Besitz überholt ist? Ist es möglich, dass wir in einer Welt leben werden, in der wir kaum noch etwas besitzen?

Bei der Vorstellung daran kommen folgende Fragen auf: Wie können wir uns noch ausdrücken? Sind Besitz und Eigentum dafür nicht notwendig? Unser Expert:innengremium ist der Meinung, dass Sharing viel mehr Möglichkeiten bietet als Besitz. Je nach unserer aktuellen Stimmung, unseren Gefühlen und Wünschen können wir uns einfach anders kleiden und neue Stile ausprobieren, ohne viel Geld zu investieren. 

Auch wenn es wünschenswert ist, dass Modemarken zunehmend Sharing- und Mietkonzepte übernehmen, kann man nicht sagen, dass Besitz in Zukunft völlig irrelevant sein wird. Der Wunsch, bestimmte Gegenstände als Statussymbol, Erbstück oder einfach nur zum Spass zu besitzen, wird nach wie vor vorhanden sein und hängt von den Bedürfnissen der Verbraucher:innen ab. Das Schlagwort, auf das sich Unternehmen konzentrieren müssen, ist Nutzer:innenorientierung. Marken müssen sich darauf konzentrieren, die Bedürfnisse ihrer Kund:innen bestmöglich zu erfüllen. Und da die Bedürfnisse sehr individuell sind, wird es wahrscheinlich immer ein Mix sein. 

Es gibt zweifellos viele Möglichkeiten, in der Mode nachhaltiger zu handeln und gleichzeitig zahlreiche neue Stile zu entdecken. Wir sind auf jeden Fall gespannt, was die Modeindustrie in Sachen Innovation noch zu bieten hat. 

Und nebenbei bemerkt: Wie cool ist es, dass wir Kleidung mit ALLEN teilen können? Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass dieses Stück vor ein paar Wochen von Ihrem Lieblingsidol getragen worden sein könnte? Wahnsinn!

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