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Funnel- statt Igel-Strategie

Lukas Stuber
Lukas Stuber
Partner
Länge
6 Min. Lesezeit
Datum
1 April 2021

Die Corona-Krise trifft jedes einzelne Unternehmen auf unterschiedliche Weise. Manche benötigen dringend Arbeitskräfte, um die sprunghaft gestiegene Online-Nachfrage zu bewältigen, zugleich wird die öffentliche Hand mit Kurzarbeitsbegehren überflutet. Die Trennlinien folgen dabei nicht nur den Business Verticals, sondern sind individuell anders ausgeprägt: Was kann noch geliefert werden, welche Einschränkungen gibt es in der Zustelllogistik oder der Beschaffungskette?


Eines aber gilt für alle: Eine Igel-Strategie im Digital Marketing ist riskant. Nicht wenige Unternehmen tragen sich gerade mit dem Gedanken, im digitalen Marketing auf einen Vollstopp zu setzen oder haben ihn bereits vollzogen: Kommt das öffentliche Leben zum Stillstand, geraten Umsätze unter massiven Druck, und jeder eingesparte Werbefranken trägt zur Reserve bei. Das ist nachvollziehbar, aber gefährlich: Gerade jetzt ist ein faktischer Kommunikationsstopp fatal. Hier ein paar Aspekte, in denen wir derzeit höchst unterschiedliches Verhalten beobachten können.

Homepage: Aktiv Infos anbieten

Besuchen User derzeit eine Website, treibt sie vor allein eine Frage um: Was kann das angesteuerte Unternehmen derzeit überhaupt bieten? Bleibt eine Antwort aus, führt das zu Verunsicherung. Zahlreiche Shops etwa liefern prominent auf der Startseite die Information: Ja, wir liefern, aber nein, die Filialen sind geschlossen. Andere setzen derzeit immer noch prominent auf ihre Jubiläumsaktion oder auf neuste Produktelinien, als geschehe da draussen nicht gerade etwas Massives. Aktive Information ist aber nötig, da ansonsten das Publikum verunsichert weiterzieht. Und so zynisch das im Augenblick auch anmuten mag: Bietet man zusätzlich eine Info Page an, zeigt ihr Besuch eine hohe Affinität an – womit ein interessantes Segment für Remarketing entsteht, sobald die Normalität zurückkehrt.

Google My Business: “Vorübergehend geschlossen” definieren

Sucht man nach Coiffeur-Salons, Baumärkten, Restaurants, Läden aller Art, leuchtet einem derzeit in Google My Business sehr oft grün “geöffnet” entgegen, was zumeist schlicht nicht stimmt. Deshalb lanciert Google derzeit die Möglichkeit, “vorübergehend geschlossen” als Status zu definieren.

Google Ads: Die Lage benennen

Zahlreiche Unternehmen stoppen derzeit sämtliche Google Ads, womit ein Informationsvakuum entsteht: Gerade bei Brand-Suchen lässt sich via Ad klar deklarieren, was derzeit geht, was nicht. Sieht man vom Schalten von Brand Ads ab, übernimmt zumeist das Gratis-Listing (oder Google My Business, siehe oben) die Informationshoheit, was fast nie optimal ist: Die Gratis-Listings sind weder dafür eingerichtet noch flexibel genug, um zeitnahe Informationen abzubilden:


Social Media: Stay in touch!

Als Folge der Verunsicherung stellen zahlreiche Unternehmen derzeit ein erhöhtes Aufkommen von Fragen und Kommentaren via Social Media fest. Ressourcen und Prozesse vermögen das oft nicht abzubilden. Das Mindeste ist, auch seine Social-Media-Präsenzen zur aktiven Information zur Lage zu verwenden. Ausserdem können jetzt auch Kreativansätze helfen, mit der Situation umzugehen, wie das etwa Betty Bossi mit der aktuellen Insta Story rund um Sauerteig zeigt, wo über Tage hinweg gemeinsam (wenn auch remote) ein Sauerteig angesetzt und genährt wird:


Erste Priorität: Was jetzt noch funktioniert, gehört beworben

Umsätze brechen an allen Ecken und Enden weg. Im E-Commerce lässt sich in vielen Fällen das Gegenteil beobachten, aber auch dort gibt es Produktekategorien, die besser oder schlechter funktionieren. Im Prinzip müsste gelten: Was jetzt noch geliefert oder als Service angeboten werden kann, gehört mit Volldampf beworben. Denn jetzt geht es darum, Sales und Umsätze so hoch zu halten wie es nur irgendwie geht und wie es die Reserven erlauben. Reine ROAS-Strategien hingegen, die Rentabilität als oberste Priorität festsetzen, sind derzeit kaum ein taugliches Mittel.

Upper-Funnel-Kampagnen weiterlaufen lassen oder adaptieren

Aktuell stauen sich Nachfrage und Transaktionen in vielen Bereichen auf. Das bedeutet aber nicht in jedem Fall, dass das Interesse abgenommen hätte. Beispielsweise lässt sich verfolgen, dass das Kundeninteresse etwa im Automotive-Bereich zwar zurückgeht, aber immer noch existiert, auch wenn Autokäufe derzeit nur noch online stattfinden können.


Prononcierter ist der Rückgang logischerweise im Lower Funnel

Das bedeutet zugleich: Wer jetzt seine Upper-Funnel-Kampagnen in Google, Social, YouTube, Programmatic stoppt, riskiert relativ viel: All die aufgestaute Nachfrage wird sich über den Markt ergiessen, sobald wir die Welt wieder in Ordnung gebracht haben. Wer jetzt Kontakte mit der Zielgruppe vermeidet, wird mit erhöhter Wahrscheinlichkeit ignoriert, sobald die Transaktionen wieder starten.


Reportings umstellen

Die Krise verändert auch die Kennzahlen, mit denen man sein Marketing und sein Unternehmen steuert – einerseits inhaltlich (“Welche Kennzahlen muss ich jetzt im Auge behalten?”), andererseits hinsichtlich Frequenz: Reichten bisher manchmal wöchentlich diskutierte Dashboards, ist nun oftmals ein tägliches Update nötig. Spendings und Umsatz dürften jetzt wichtiger werden als ROAS-Schwellen, und der Transaktionserfolg von Produktekategorien kann sich von heute auf morgen komplett ändern, im Guten wie im Schlechten. Tools wie das Google Data Studio werden hier noch wertvoller: Dashboards sind mit wenigen Klicks zusammengestellt, und verzichtet man für einmal auf die pixelgenaue Anordnung der einzelnen Tabellen und Graphen, ist man schneller handlungsfähig.

Rückkehr zur Normalität planen

Nach Party ist derzeit niemandem zumute. Aber sie wird unweigerlich stattfinden: Wenn die Türen wieder aufgehen, die Menschen an die Arbeitsplätze zurückströmen, der Konsum wieder zunimmt, wird Digital Marketing eine immense Rolle spielen können:

  • Messaging: Wie tritt ein Unternehmen in den emotional stark aufgeladenen Tagen der Normalisierung auf?
  • Remarketing-Strategie: Was tun mit all den Upper-Funnel-Kontakten der Krisenzeit?
  • Reaktivierungsstrategie: Was tun mit all den Kundinnen und Kunden, die in der Krise storniert, zurückgeschickt, Geld erstattet gekriegt haben oder schlicht inaktiv geblieben sind? Sind die entsprechenden Marketing-Automation-Strecken vorbereitet?
  • Aktionen und Promotionen: Wie auf Pricing- und Produktebene damit umgehen, dass Welt wieder schön ist?
  • Budgets: Wie sind die Spendings zu planen, wenn der Nachfrageaufschwung einsetzt?

Allerdings

Die gleichen Fragen stellen sich auch im umgekehrten Fall – wer jetzt profitiert von verstärkter Online-Nachfrage, braucht eine Strategie, um die zahlreichen Kundenkontakte der Krisenzeit auch danach gewinnbringend zu bewirtschaften. Dass jede Krise eine Chance sei, ist ein Klischee. Tatsache aber ist, dass die aktuelle Krise Herausforderungen mit sich bringt, die gerade dank Digital Marketing besser gemeistert werden können, als wenn man sich einigelt und die Kommunikation stoppt. Denn wie sonst als online treten Kundinnen und Kunden jetzt überhaupt noch in Kontakt mit einem Unternehmen?

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