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Wird KI die menschliche Kreativität ersetzen?

Steven Denekas
Steven Denekas
Global SVP of Experience at DEPT®
Länge
5 Min. Lesezeit
Datum
1 April 2021


Künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf den Menschen, die Gesellschaft und die Arbeitswelt ist eines der zentralen Themen der diesjährigen SxSW. Deep Learning hat sich im vergangenen Jahr so rasant entwickelt, dass zahlreiche neue Apps und Tools entstehen, die von dieser neuen Technologie profitieren und sie nutzen. In der Podiumsdiskussion “AI and the future of storytelling” diskutierten Branchenführer:innen ihre Sichtweise auf das Thema. Eine der bemerkenswertesten Geschichten rund um KI ist das Porträt von Edmond Belamy, welches erst kürzlich vom britischen Auktionshaus Christie’s für 432.000 Dollar verkauft wurde. Das Gemälde wurde nicht von einem Maler aus Fleisch und Blut geschaffen, sein Schöpfer ist ein Algorithmus.

Dies wirft die für uns interessante Frage auf, welchen Einfluss KI künftig auf kreative Arbeit haben wird und inwiefern sich dadurch die Arbeit Kunstschaffender verändern wird.

Zu was ist KI bereits fähig?

Nicht nur die bildende Kunst ist von dieser Entwicklung betroffen, sondern auch die Musik und das geschriebene Wort: Im Februar 2019 veröffentlichte die Non-Profit Organisation OpenAI Arbeitsproben, die computergenerierte Texte zu verschiedenen Themen zeigten. Obwohl die generierten Sätze zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht perfekt klingen, bedeutet dies enorm viel für die zukünftige Entwicklung. Douglas Eck, leitender Wissenschaftler bei Google im Bereich Musik, Kunst und maschinelles Lernen, glaubt, dass die Technologie in weniger als fünf Jahren so ausgereift sein wird, dass Studierende Essays nicht mehr selbst schreiben müssen. Notwendig wären dann nur noch ein paar Headlines, der richtige Datensatz – und den Rest erledigt die KI.

Das Forschungsprojekt Google Magenta arbeitet daran, die Grenzen des Möglichen für KI im künstlerischen Bereich, insbesondere der Musik, zu erweitern. Der Algorithmus Performance RNN lernt selbständig mit Hilfe von Datensätzen der klassischen Musik und komponiert so eigene Klavierstücke – hier finden Sie ein Beispiel. Spielen Sie doch bei Gelegenheit mal ein bisschen mit den webbasierten Apps auf Magenta und entdecken Sie die Möglichkeiten von KI in der Musik. Unsere Empfehlung ist Piano Genie: Indem man zufällig auf der Tastatur herumtippt, erzeugt der Algorithmus einfache Akkordwechsel.

Wie man künstliche Intelligenz nutzen kann, um historische Ereignisse festzuhalten, hat Storyfile-Gründerin Heather Smith in Zusammenarbeit mit der USC Shoah Foundation bewiesen. Auf Basis von Big Data wird die Erfahrung persönlicher Gespräche mit Holocaust-Überlebenden ermöglicht – in Form von Hologrammen. Die Grundlage bilden 25 Stunden Filmmaterial mit den Antworten tatsächlicher Überlebender auf über 2.000 Fragen, gefilmt über einen Zeitraum von 5 Tagen. Die Sprachverarbeitung macht es möglich, interaktive Hologramme und somit ein eindringliches Erlebnis zu schaffen. Erfahren hier Sie mehr über “New Dimensions in Testimony”.

Zudem gibt es bereits Fälle, in denen KI eine wichtige Rolle bei der Erstellung von Marketingkampagnen spielt: Nutella und die Werbeagentur Ogilvy & Mather Italia schufen 2017 mit Hilfe eines Algorithmus sieben Millionen einzigartige Nutella-Gläser und verkauften diese in Italien. Das klingt erst einmal nach einer tollen Idee, und die Gläser sahen auch wirklich schön aus – allerdings nur diejenigen, die im Rahmen der Kampagne als Aushängeschild genutzt wurden. Es gab auch eine ganze Reihe weniger beliebter Gläser, so genannte “ugly jars”, die dann bei der Adaption für den deutschen Markt in den Supermarktregalen zu finden waren.

Ein weiteres interessantes Beispiel ist das von einer KI-geschriebene Drehbuch für einen Werbespot der Automobilmarke Lexus. Für dieses Werbevideo arbeiteten die Kreativagentur The&Partnership London und ihr technischer Partner Visual Voice mit dem Team von IBM Watson zusammen. Gemeinsam analysierten sie Video-, Text- und Audiodateien aus preisgekrönten Kampagnen der letzten fünfzehn Jahre. Doch wer denkt, dass die KI die ganze Arbeit übernommen hätte, liegt falsch: Der Algorithmus identifizierte die Schlüsselelemente, die als “emotional intelligent und unterhaltsam” eingestuft wurden. Daraus entstanden eine Drehbuchvorlage und eine Skizze, die von der Agentur als Grundlagen für die Geschichte genutzt wurden.

Werden jetzt alle Kreativen arbeitslos?

Das Nutella-Beispiel zeigt einen großen Nachteil der KI: die fehlende Fähigkeit, unvoreingenommen Entscheidungen zu treffen – oder wie Heather Smith es ausdrücken würde: Man bekommt das raus, was man auch reinsteckt. Künstliche Intelligenz ist stark abhängig von den vom Menschen zur Verfügung gestellten Datensätzen und kann dementsprechend neue Dinge nur auf Basis dieser Daten erschaffen. Lance Weiler, Gründungsmitglied und Leiter des Columbia University School of the Art’s Digital Storytelling Lab, erklärt, dass die kreative Arbeit der KI den Regeln des Samplings mit einem unsicheren Ergebnis folgt. Um also ein gutes Ergebnis zu erzielen, ist eine nachträgliche Bearbeitung der Daten durch den Menschen unabdingbar. Auch das Werbevideo von Lexus ist nicht wirklich überraschend. Es ist eine typische Autowerbung, die sich kaum von anderer Werbung unterscheidet, die von Menschen produziert wurde.

Fazit

Künstliche Intelligenz wird in Zukunft eine immer größere Rolle in unserem Alltag spielen, aber das sollte kein Grund zur Sorge sein. Sie ist ein neues Tool, das uns hilft, große Datenmengen zu verarbeiten. Sie kann Anregungen geben und langweilige Aufgaben übernehmen. Wir müssen jedoch lernen, dieses Werkzeug richtig einzusetzen: Wie die Erfindung von Kameras und E-Gitarren, wird KI die kreative Arbeit verändern und neue Möglichkeiten schaffen. Doch letztendlich funktioniert sie nicht ohne menschliches Zutun und wird niemals in der Lage sein, etwas wirklich Neues zu erschaffen.

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