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Search Term Report: Google verstärkt die Abhängigkeit der Advertiser

Lukas Stuber
Lukas Stuber
Partner
Länge
5 Min. Lesezeit
Datum
1 April 2021

Klicks auf Google Ads erfolgen zumeist nach Suchanfragen, die keineswegs 1:1 mit den gebuchten Keywords übereinstimmen. Dafür sorgen Googles Matching-Mechanismen. Nun hat Google die Datentransparenz limitiert und gibt nur noch beschränkt Auskunft über diese konkreten “Search Terms”. Auf den ersten Blick ein Ärgernis, auf den zweiten Blick von geringer Bedeutung, und auf den dritten Blick ein fundamentales Wettbewerbsproblem.

Die Geschichte wiederholt sich: Reichte Google die Organic Keywords früher in die Analytics Tools weiter, verschwanden sie schleichend ab 2011 und wurden ab 2013 mehr oder weniger komplett unter dem berüchtigten «not provided» subsummiert. Googles Begründung: Privacy.

Einerseits gingen damit den SEOs wertvolle Daten verloren, die von der Google Search Console nur begrenzt ersetzt werden können, da sie dort von Conversion- und anderen Daten entkoppelt sind; andererseits handelte sich Google damals den Vorwurf der Heuchelei ein: Klicks auf Google Ads nämlich kamen weiterhin mit dem kompletten Datensatz daher. Bis Anfang September 2020. Da tauchte auf der entsprechenden Support Page plötzlich der Vermerk auf:

“Starting September 2020, the search terms report only includes terms that a significant number of users searched for, even if a term received a click. You may now see fewer terms in your report.”

Auch diesmal lautet die Begründung: Privacy.

Bis zu 40% der Budgets betroffen?

Marketer verlieren dieser Massnahme wegen einmal mehr wertvolle Daten: In jenem Search Term Report lassen sich tagtäglich Suchbegriffe finden, für die Advertiser lieber nicht eingeblendet werden möchten; der Datenverlust ist umso ärgerlicher, als man für diese Klicks im Unterschied zu den organischen jedes Mal bezahlt.

Die Agentur Seer hat konstatiert, dass satte 28% der Budgets von Googles Massnahme betroffen sind – bei rund 3 von 10 Werbefranken sieht man jetzt also nicht mehr, was die Kosten verursacht hat. In einer kleinen Stichprobe von Accounts, die DEPT® betreut, lag dieser Wert sogar deutlich höher, nämlich bei rund 40%.

Allerdings: Vergleicht man Effizienz (z.B. Cost per Order) und Rentabilität (z.B. Return on Ad Spend), so verhalten sich jene Suchbegriffe, die Google jetzt unterdrückt, praktisch gleich wie die ausgewiesenen. Künftige Entwicklungen vorbehalten, handelt es sich hier also keineswegs um ein grosses, schwarzes Loch, in das man blindlings Budget versenkt.

Die Effizienz wird nicht beschädigt

So ärgerlich der Datenverlust auch ist: Der in diesen Tagen oft geäusserte Vorwurf, Google wolle damit bloss Geld zum Nachteil der Werbekund:innen einsacken, geht fehl, und das aus zwei Gründen.

Erstens beruht Googles Geschäftsmodell zum grössten Teil auf der Performanz seiner Werbeangebote. Damit aber stimmen die Ziele Googles und der Advertiser notwendigerweise überein: Letztere erhöhen ihre Budgets nur, wenn die Sache funktioniert, und nur dann kann Google wachsen. Würde die Reduktion der ausgewiesenen Daten also nachhaltig die Leistung von Ads-Kampagnen beschädigen, verlöre Google Geld, und genau das ist Google zumindest in der Vergangenheit bei so ziemlich allen Änderungen im Ads-Programm eben gerade nicht passiert.

Zweitens stellen Suchbegriffe längst nur noch einen von zahlreichen Datenpunkten dar, die Einblendungen, Klicks und die damit verbunden Kosten sinnvoll werden lassen. Depster Tobias Scholz hat schon im Februar 2016 in der Werbewoche “Das Ende der Keywords” postuliert:

“Die Disziplin Suchmaschinenwerbung [befindet sich] in einem fundamentalen Umbruch hin zu einer immer stärkeren Technologisierung, Automatisierung und der Zuhilfenahme von Nutzersignalen jenseits des Suchwortes. Das Keyword wird weitgehend von automatisierten Feeds, Crawls und ebensolchen Nutzersignalen abgelöst.” (PDF)

Die Best Practices, die sich seither entwickelt haben, werden dem gerecht: Statt mit granularsten Kampagnenstrukturen zu operieren, die um den Datenpunkt “Keyword” herum gebaut sind, verwenden gut entwickelte Accounts heute den “Fullistic Approach”, bei dem das Keyword nur einen von zahlreichen Aspekten darstellt. Mit weitaus schlankeren Strukturen als einst ermöglicht man es Google beim Fullistic Approach, die volle Kraft der selbstlernenden Algorithmen anzuwenden und dem User in seinem individuellen Kontext (z.B. Audience-Zugehörigkeit, Device, History und ja, Suchbegriff) die optimale Anzeige anzuzeigen. Da wird evident, dass der Suchbegriff, einst das Zentrum von Google Ads, zu einem Merkmal unter vielen geworden ist.

Die etwas steile These sei deshalb erlaubt, dass Googles Praxisänderung vor allem jene treffen wird, die veraltete Methoden nutzen.

Intransparenz als Lock-in-Massnahme

Alles in Butter also? Nein, keineswegs. Denn dieser jüngste Datenentzug ist nur einer von vielen, und da lässt sich eine gewisse strategische Systematik nicht übersehen: Unterdrücken der Referrer-Information bei Organic Traffic; arbiträr auf 1’000 Zeilen limitierte Berichte in Googles Search Console; zunehmende Ungenauigkeit im Keyword Planner; und jetzt die neuerliche Unterdrückung einer signifikanten Zahl von Suchbegriffen – das alles sind Intransparenzen. Dass Google Ads trotzdem prächtig funktionieren, ändert daran nichts.

Intransparenz sorgt aber immer für ein Ungleichgewicht und damit Abhängigkeit. “Vertraut uns, wir erledigen das für euch”, ist Googles implizites Statement. Das erzeugt aber einen starken Lock-in-Effekt, da man die Daten, die vordem Teil des Deals gewesen sind, jetzt für andere Massnahmen (wie etwa SEO, Zweitverwertung von Suchbegriffslisten in Bing sowie Marktforschung ganz grundsätzlicher Art) schlechter nutzen kann. Eine bedauerliche Entwicklung, selbst wenn man Googles Privacy-Argument akzeptiert.

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