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Rückblick DEPT® Talks Digitalisierung & Ethik

Yann Wanner
Yann Wanner
Management
Länge
7 Min. Lesezeit
Datum
1 April 2021

Können Digitalisierung und Ethik Hand in Hand gehen? Unter dem Motto dieser Frage standen unsere DEPT® Talks zum Thema Digitalisierung & Ethik am 20.08.2020. Unter der Leitung von SRF-Persönlich-Moderatorin Sonja Hasler diskutierten unsere vier Expert:innen. Passend zu Covid-Zeiten sass die Hälfte der Teilnehmenden im Aroma Studio vor Publikum, während die andere via Livestream zugeschaltet war, so wie das übrige Publikum auch. Vor Ort anwesend waren Cornelia Diethelm, Gründerin des Centre for Digital Responsibility und Malte Polzin, Geschäftsführer Steg Electronics AG. Remote diskutierten Adrienne Fichter, Redaktorin Republik und Dimitri Rougy, Aktivist und Campaigner @SPSchweiz und @JusoSchweiz.

Hier geht es zur Aufzeichnung. 

Eins lässt sich wohl vorwegnehmen: Es ist anspruchsvoll, es ist komplex, aber es ist auch wahnsinnig wichtig, sich mit Digitalisierung und Ethik auseinanderzusetzen. 

«Wir leben seit 25 Jahren in einem mittlerweile sehr kommerzialisierten Internet und wir leben in einem Zeitalter der digitalen Selbstverteidigung», sagt Adrienne Fichter. Die Diskussion hat gezeigt, wie vielschichtig das Thema Ethik ist und wie unterschiedlich die Perspektiven und Werthaltungen sind. In einem waren sich jedoch alle einig: Einfach hinnehmen können und wollen wir das nicht. 

Auch Lukas Stuber, Managing Director von DEPT® hat in seiner Begrüssung klar gemacht, warum das Thema auf jede Agenda gehört: «Wir müssen aus unserer Bubble ausbrechen: Unsere Arbeit als Digital Marketer findet in einem weitaus grösseren Kontext statt und hat Implikationen, über die wir im Alltag nicht genügend nachdenken».

Aufgerüttelt haben ihn die Diskussionen um Dark Ads, also Inserate von politischen Akteuren, die auf Facebook nur für ausgewählte Personen geschaltet werden. «Man nennt das Targeting und was in der Welt des Digital Marketings normal ist, verändert in einem politischen Kontext viel. Wenn Staubsauger Ads nur jenen Leuten gezeigt werden, die sich auch für Staubsauger interessieren, dann ist das sinnvoll. Wenn aber politische Statements und Inhalte unter dem Radar nur einem bestimmten Zielpublikum zugespielt werden, verschwindet eine Rechenschaftspflicht, es reduziert sich die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, der Austausch wird beschädigt und damit ein Teil einer demokratischen Gesellschaft.» 

Lukas Stuber kommt darum zum Schluss: «Unser Staubsauger-Targeting prägt die Politik mit.» Was wie eine arge Verkürzung klingt, stimmt im Kern. Denn wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht dasselbe, auch in der Digitalisierung nicht. 

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Ethik hat viele Facetten

Sonja Hasler knüpfte an und fragte: «Wo sind die Grenzen? Ist alles, was technisch möglich ist, auch gut? Was ist ethisch korrekt und was weniger?» Und sie stellte die Frage nach dem bewussten Verzicht: «Welche technischen Möglichkeiten wollen Sie vielleicht nicht nutzen, weil sie Werten wie Selbstbestimmung, Fairness, Gerechtigkeit, Diversity, Transparenz usw. widersprechen?»

Diese erste, von Sonja Hasler geschickt platzierte Frage machte nochmal deutlich: Digitalisierung ist ein Thema das polarisiert. Besonders die verschiedenen Perspektiven im Panel sorgten für eine vielschichtige Diskussion: Da der Unternehmer, der für seine Produkte Käufer finden will, dort die politische Aktivistin, die von Meinungen überzeugen will. Beide nutzen die Möglichkeiten, die ihnen das Internet bietet. Ob sie ethisch vertretbar sind? Cornelia Diethelm meint dazu lakonisch: «Jeder findet in seinem Bereich: Das ist nicht so schlimm» und stellt eine gewisse Blindheit gegenüber der eigenen Branche fest. 

Gemäss Malte Polzin ist es auch schlicht ein Problem der Alternativen. Ob für zielgruppengenaue Werbung, den Betrieb des Online-Shops oder die Analyse des Webtraffics: Die Auswahl fällt immer in etwa auf die gleichen, allgemein bekannten Anbieter (GAFA), da die Kleinen es verpasst haben, eigene reichweitenstarke Plattformen aufzubauen. Google, Amazon & Co. stehen aber – nicht nur auf diesem Panel – mit ihren Praktiken in der Kritik. Mit Blick auf immer wieder geforderte Regulierungen (durch die Politik) verdeutlicht Cornelia Diethelm: «Wir sollten nicht kleine KMU – davon haben wir etwa 97% in der Schweiz – belästigen mit Anforderungen. Eigentlich suchen wir jene 3%, die uns Bauchschmerzen bereiten und die in manipulative Praktiken investieren».

Die EU hat mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zwar schon ganze Arbeit geleistet – kaum eine Seite in Deutschland kommt noch ohne Cookie-Banner mitten im Screen aus, die ein Weiterlesen unmöglich macht. Immerhin dürfen die Nutzer:innen nun selbst wählen, welche Art von Cookies sie annehmen wollen und welche nicht – Überforderung ist hier allerdings vorprogrammiert. Resignation auch. 

Wir leben in Zeiten der digitalen Selbstverteidigung

Daten brauchen alle, die ihre Ziele wirkungsvoll umsetzen wollen. Selbst Dimitri Rougy, derbetont, dass seine Kampagnen immer auf Menschen basieren, räumt auf Nachfrage von Sonja Hasler ein: «Wir fragen die Leute nach ihrer Mailadresse, denn in politischen Kampagnen ist diese die Währung, zusammen mit der Telefon- und Handynummer. Ohne Kontaktmöglichkeiten können wir die Leute gar nicht aktivieren» Malte Polzin macht sich als Konsument keine Illusion: «Bei allen Diensten, die ich gratis nutze, werden meine Daten in irgendeiner Form genutzt, da bin ich das Produkt und dessen sollte sich jeder bewusst sein.» Wir alle müssen uns also wohl oder übel von der Wunschvorstellung eines neuen, ethischen Internets, indem wir uns alle respektieren und Transparenz eine Selbstverständlichkeit ist verabschieden. Was also ist die Lösung? 

Aus dem Publikum kam die Forderung, schon in der Schule Medienkompetenz beizubringen. Cornelia Diethelm betont die Wichtigkeit des Kerns dessen und sieht darin den Schlüssel, weil wir in uns drei Rollen vereinen: «Wir sind als Konsument:innen betroffen, wir arbeiten in einem Unternehmen und wir prägen auch die Politik mit.» Sie betont, dass wir nicht hilflos ausgeliefert sind und rät dazu, bei Facebook und Linkedin die Privatsphäre-Einstellungen zu kontrollieren und anzupassen oder beim Einkauf dem lokalen Buchhändler statt Amazon den Vorzug zu geben. Auch Malte Polzin ist der Meinung, dass man nicht alles unterstützen müsse, was eine App ermöglicht. So kann durchaus darauf verzichtet werden, bei WhatsApp das ganze Telefonbuch hochzuladen. Adrienne Fichter geht dabei noch weiter und sagt wir müssen uns von unserer Gratis-Mentalität verabschieden. 

Forderung nach Transparenz und Wahlfreiheit

Die Forderung an die Anbieter:innen im Web bleibt – ob Grosskonzerne, Unternehmen oder politisch aktive Organisationen: Das Panel fordert Transparenz über die Verwendung von Daten und die Wahlfreiheit, Zugänge zu verwehren oder Dienste nur teilweise zu nutzen. Adrienne Fichter bringt in diesem Zusammenhang die Idee einer Art Bio-Label ein, bei dem gegen Bezahlung auch verlangt werden kann, dass die persönlichen Daten nicht für andere Zwecke weiterverarbeitet werden. Die Diskussion um Ethik und Digitalisierung ist eine moralische Debatte und damit ein Prozess, wie ein Teilnehmer im Chat festhält. Cornelia Diethelm rät auch dazu, das Thema präsent zu halten und immer wieder zu diskutieren. In Unternehmen würde sie es ausserdem begrüssen, wenn die Position oder die Rolle von Ethik-Beauftragten geschaffen würde.

Die anfängliche Frage, ob Digitalisierung und Ethik Hand in Hand gehen können, lässt sich also klar beantworten. Denn es ist keine Frage des “Könnens”, sondern des “Müssens”. Fakt ist, die Digitalisierung passiert – und zwar jetzt. Mit jeder Sekunde die vergeht, werden Daten produziert und analysiert, Meilensteine erreicht und Prozesse digitalisiert. Wir müssen ihn also gehen, den Weg in eine digitale, ethische Zukunft. Kommen Sie mit?

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