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Feed-Management: Effizienzsteigerung im E-Commerce

Tobias Scholz
Tobias Scholz
Management, Partner
Länge
9 Min. Lesezeit
Datum
1 April 2021

E-Commerce boomt. Die wachsende Zahl der Marktteilnehmer:innen treibt den Wettbewerb an und den Kostendruck in die Höhe. Gleichzeitig steigen die Diversifizierung und Komplexität der verfügbaren Absatzkanäle, was effizientes Feed-Management zu einem zentralen Erfolgsfaktor im E-Commerce macht. Lesen Sie hier, was Feeds leisten können und wie Sie ihr Potenzial maximal ausschöpfen.

New potential unlocked

Feed-Management dient nicht nur der Bereitstellung von Produktdaten und qualitativ hochwertigen Inhalten für einzelne Kanäle wie Google Shopping, Marktplätze oder Preisvergleichsportale. Dies gehört lediglich zu den Basics. Das wahre Potenzial des professionellen Feed-Managements verbirgt sich in der business-orientierten Steuerung von Produkt-Kampagnen.

Nach wie vor wird das Verhältnis zwischen Kosten und Umsatz oftmals als zentraler und einziger KPI feedbasierter Kampagnen herangezogen. Dies macht die Optimierungen recht eindimensional und wird dem echten Business-Impact, den die Kampagnen haben könnten, nicht gerecht. Nur weil ein Produkt einen guten Umsatz- bzw. ROAS-Wert erzielt, bedeutet das nicht, dass der erzielte Umsatz auch wertstiftend für ein Unternehmen ist, werden doch eine Reihe ertragsrelevanter Informationen ausser Acht gelassen. Retourenquote, Einkaufskonditionen, Lager- und Logistikkosten sowie weitere fixe und flexible Kosten (und zudem weiteren Zusatz-Nutzen wie z.B. Akquisition von Neukund:innen) dürfen aber nicht ignoriert werden. 

ROAS/KUR-Optimierung

Die Kampagnen werden sowohl im Budget-, als auch im Bid-Management danach gesteuert, wie das Verhältnis von Umsatz zu Kosten ist – auf Kanal-, Kampagnen- und Produktebene.

Vereinfacht gesagt: Wenn Produkt A bei Google Shopping für CHF 100 Werbe-Einsatz Online-Shop Umsätze in Höhe von CHF 1’000 erzielt (ROAS 1000% bzw. KUR 10%), wird dieses Produkt durch die Bidding-Algorithmen Produkt B gegenüber bevorzugt, das bei CHF 100 Werbe-Einsatz Umsätze in Höhe von CHF 800 (ROAS 800% bzw. KUR 12.5%) erzielt. Gleiches Prinzip gilt bei der kanalübergreifenden Optimierung – wenn ein Kanal eine bessere KUR hat, wird dieser gegenüber einem anderen Kanal präferiert.

Was aber, wenn die Kosten für Produkt A deutlich höher sind (z.B. schlechtere Einkaufskonditionen, höhere Lager- und Logistik-Kosten) oder das Produkt A häufig retourniert wird?

Die Vision: Integration aller Daten und datengetriebene Steuerung auf Produktebene

In den verschiedenen Systemen der Online-Händler:innen liegen viele ertragsrelevante Informationen implizit bereits vor. Diese müssen jedoch auch sinnvoll zusammengeführt, in die Kampagnen-Aussteuerung integriert und zudem eine durchgängige Messung sichergestellt werden.

Mit anderen Worten: Das Tracking der Kanäle sollte dahingehend angepasst werden, dass als “Wert” der Konversion (des Kaufs) nicht nur der alleinige Umsatzwert der Transaktion berücksichtigt wird, sondern auch darüber hinausgehende business-relevante Informationen wie: Retouren, Bruttomarge, oder auch Informationen zum Kund:innenwert (Neukund:in vs. Bestandskund:in oder Customer-Lifetime-Value). Diese angereicherten Konversions-Daten werden dann direkt zur Steuerung der Kanäle mithilfe von maschinellem Lernen verwendet. Erst dann geht das Bid-Management tatsächlich Hand in Hand mit den Business-Zielen.

Da die Umsetzung eines datengetriebenen Bid-Managements mit einer gewissen technischen Komplexität und entsprechenden Aufwänden verbunden ist, werden derartige Datenintegrations- und Tracking-Projekte leider zu oft immer wieder zugunsten von kurzfristigen Projekten hinausgeschoben. Angesichts der wachsenden Konkurrenz muss sich jedoch früher oder später jede:r Online-Händler:in mit diesem Ansatz befassen.

Die Success Stories von Unternehmen, welche dies bereits umsetzen konnten oder auf dem Weg dahin sind, sind beeindruckend und zukunftsweisend.

Abb. 1: Aus CRM-, E-Commerce und anderen Systemen werden Konversions- und Produktinformationen zusammengefügt. Wichtig: Konversionsinformationen müssen einen gemeinsamen Schlüssel (z.B. User ID oder Conversion ID) besitzen. (Quelle: Dept)

Der pragmatische Weg: Iterative Anreicherung des Feeds mit Business-Informationen

Es muss jedoch nicht alles oder nichts sein. Man kann sich dieser Vision, Kampagnen business-orientierter zu steuern, auch mit sehr überschaubarem Aufwand agil und iterativ nähern. Dazu muss das eigene Produktportfolio für die Marketing-Steuerung innerhalb des Feed-Managements deterministisch segmentiert werden.

Mit minimalem Aufwand ist es sehr einfach möglich, ohne diese komplexeren Implementationen einfache Modelle und Prozesse einzuführen und damit sehr gute Ergebnisse für die wichtigen Marktplatz- und Shopping-Kanäle zu erzielen, die weg von der eindimensionalen “ROAS-Betrachtung auf Umsatz” hin zu einer Business-Impact-Betrachtung und -Steuerung führen.

Im Folgenden wird eine typische iterative Roadmap skizziert. Diese folgt dem Reifegrad der Werbetreibenden und kann problemlos auf die individuellen Rahmenbedingungen und Business-Treiber adaptiert werden.

Iteration 1.0: Einfaches Clustering nach Marge

Ziel: Einteilung der Produkte in drei Margen-Cluster auf Basis der relativen Marge (hohe Marge, mittlere Marge, niedrige Marge), um diese drei Cluster mit durchschnittlichen ROAS-/KUR-Zielwerten spezifischer zu steuern.

Vorgehen:

  • Jedes Produkt wird einem dieser drei Cluster zugeordnet. Dies kann auf sehr unterschiedliche Art und Weise geschehen, je nach Ausgangslage der Händler:innen (z.B. durch 1:1 Zuordnung der einzelnen Produkte, wenn diese Informationen bereits in den Systemen strukturiert vorliegen oder aber auch mithilfe von Regeln, z.B. auf Basis der “Marke”)
  • Wenn detaillierte (absolute oder relative) Margen-Informationen bereits vorliegen, können im Feed-Management-Tool diese z.B. je nach Perzentil dem relativen Margen-Cluster zugeordnet werden
  • Die drei Cluster werden in den Marketing-Kanälen entsprechend gesteuert – z.B. wird je Cluster eine andere tROAS Gebotsstrategie erstellt (z.B. tROAS 500% für High Margin, tROAS 800% für Medium Margin, tROAS 1100% für Low Margin), oder Low Margin Produkte werden gar nicht in Push-Kampagnen wie Dynamic Display oder Dynamic Remarketing mit aufgenommen, etc.
  • Laufende Verifizierung und Optimierung des Modells

Dieser einfache erste Schritt wird bereits deutliche positive Effekte auf die mit diesen angereicherten Datenfeeds gesteuerten Kanäle haben.

Iteration 1.5: Erweitertes Clustering mit weiteren ertragsrelevanten Metriken, Zuhilfenahme von Umsatz-, Drehungs- und Verkaufsinformationen

Ziel: Inkludieren zusätzlicher business-relevanter Metriken, um weiteren Treibern meines Unternehmens jenseits von Marge Rechnung zu tragen. Diese können beispielsweise “strategische Relevanz des Produkts” und “Verkaufsrang / Drehung des Produkts” sein. Alternativ können auch in dieser Iteration bereits Retourenquoten oder auch Produktbewertungen integriert werden.

Die in Iteration 1.0 etablierten “Margen-Cluster” entwickeln sich in diesem Schritt zu “Wert-Clustern”.

Vorgehen:

  • Marge: Sämtliche Produkte werden entsprechend ihrer relativen Marge gerankt; das Produkt (bzw. die Produkte) mit der höchsten relativen Marge bekommt den Wert 1, das Produkt (bzw. die Produkte) mit der niedrigsten relativen Marge bekommt den Wert 0 bei Margenposition.
  • Historischer Umsatz: Sämtliche Produkte werden in ihrem historischen Umsatz gerankt; das Produkt mit dem höchsten Umsatz für die letzten x (z.B. 30) Tage, bekommt den Wert 1, das Produkt mit dem niedrigsten Umsatz die letzten x Tage bekommt den Wert 0 bei Umsatzposition.
  • Diese Infos können entweder direkt aus dem Analytics-Tool in das Feed-Management Tool gezogen werden oder man inkludiert sie aus dem Shop-System in den Datenfeed.
  • Strategische Relevanz: Es gibt verschiedene mögliche Marker für strategische Relevanz – dazu könnten gehören: strategischer Lieferant, strategische Kategorie, strategische Marke, strategisches Produkt, etc. Je mehr Marker ein Produkt hat, desto höher wird die strategische Relevanz bewertet.
  • Mithilfe dieser zusätzlichen Informationen wird der “Wert” jedes Produkts dann entsprechend anhand der jeweiligen “Positionen” gewichtet (z.B. 60% nach relativer Marge, 25% nach strategischer Relevanz, 15% nach historischer Umsatzposition), und auf die 3 Cluster (hoher Wert, mittlerer Wert, niedriger Wert) verteilt.
  • Laufende Verifizierung und Optimierung des Modells

Iteration 2: Cluster-Dynamisierung und Erweiterung des Modells, auch mit externen Datenquellen

Ziel: Ergänzung der Datenbasis durch weitere interne und externe Datenquellen, um der Dynamik des E-Commerce und dem Wettbewerb mehr Rechnung zu tragen.

Vorgehen: Die Möglichkeiten hier sind so endlos wie die Geschäftsmodelle und -prozesse der Händler:innen unterschiedlich sind. In dieser Iteration bedarf es üblicherweise der Kollaboration mit den Business-Analyst:innen, um das Modell weiterzuentwickeln.

Typische Faktoren, die relevant werden, sind Fragestellungen rund um Customer-Lifetime-Value, Logistik, kompetitive Preisinformationen des Marktes, aber auch saisonale Überlegungen und letztlich auch marken- und marketingstrategische Punkte.

Es ist also durchaus möglich, schnell und mit nur sehr wenig technischem Aufwand die digitalen Marketingkanäle für die Produktbewerbung deutlich business-orientierter und effizienter zu gestalten.

Margen-Clustering bleibt ein pragmatischer Zwischenschritt – Ziel ist die volle Datenintegration

Der Haken an diesem sehr pragmatischen Vorgehen: Wir befinden uns immer noch in deterministischen Modellen, die sich mehrerer Annahmen und Proxys bedienen. Zudem berücksichtigen diese Modelle viele Dimensionen nicht und sind deshalb vollintegrierten, datengetriebenen (probabilistischen) Modellen unterlegen.

Ein Beispiel: Nur weil ich ein spezifisches Produkt aufgrund exzellenter “Scores” (Margenwerte o.Ä.) pushe und die Nutzer:innen auch darauf klicken und einen Kauf abschliessen, heisst es noch lange nicht, dass sie auch wirklich dieses Produkt kaufen. Hier gibt es einen nicht zu vernachlässigenden “Spillover-Effekt”, bei dem zwar auf das hochmargige Produkt geklickt, auf der Händler:innenseite jedoch ein anderes Produkt gekauft wird – dies wird im deterministischen Modell nicht berücksichtigt. Ja, auch dieser Effekt kann errechnet und – ebenso deterministisch – in das dynamische Cluster-Modell mit aufgenommen werden. Jedoch ist dann irgendwann der Aufwand für die Optimierung der Modelle deutlich höher als die ganzheitliche Integration der Datenflüsse.

Spätestens jetzt sollte deshalb weiter an der Vision der ganzheitlichen Integration sämtlicher Daten gearbeitet werden, um den Schritt von deterministischen Modellen in die datengetriebene Methodik zu machen und die Prozesse noch weiter zu automatisieren. Und auch hier gilt es zu bedenken: Mithilfe von Daten-Upload und durchgängiger Messung ist die volle Integration dieser Daten keinerlei Hexenwerk und die Aufwände im Vergleich zum Business-Nutzen noch immer verschwindend gering.

Abb. 2: Die vier Ebenen der durchgängigen Messung, Verknüpfung und Aktivierung der Daten (Quelle: Dept)

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