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Conversion Intent in Echtzeit vorhersagen

Nenad Petrov
Nenad Petrov
Digital Data Analyst
Länge
6 Min. Lesezeit
Datum
22 Mai 2023

Die meisten Businesses investieren einen signifikanten Teil ihres Werbebudgets in Retargeting-Kampagnen. Die entsprechenden Retargeting-Audiences werden jedoch oftmals nur nach Bauchgefühl erstellt. Genauer gesagt: Nach simplen Regeln, wie «Alle Personen, die Website X besucht haben» oder «Alle Besucher:innen, die Produkt Y angeschaut haben».

Warum das im aktuellen Retargeting-Marketing ein Problem darstellt? Nun, es erinnert an ein berühmtes Zitat von John Wanamaker: «Half the money I spend on advertising is wasted, the trouble is, I don’t know which half.»

Das Problem im aktuellen Retargeting-Marketing

Aus der Businessperspektive gesehen, wollen wir nicht den oder die Webseitenbesucher:in retargeten, der oder die eine spezifische Interaktion mit einer Webseite hatte, sondern diejenigen, die am ehesten konvertieren werden und entsprechend die Anzeigen als relevant und informativ empfinden. Wenn wir Einsicht in den Conversion Intent der individuellen Besucher:innen hätten, könnten wir dieses Wissen in unsere Kampagnen integrieren und entsprechend nur die relevanten Personen targeten. Das würde sich auch positiv auf unsere Conversion Rate auswirken. Nicht zuletzt würde es potentiellen Kund:innen den Frust irrelevanter Anzeigen ersparen und so die Brand Experience verbessern. Wie können wir also den Conversion Intent der Webseitenbesucher:innen vorhersagen und diesen dann für Retargeting-Aktivitäten nutzen?

Der Weg zu einem Vorhersagemodell

Die Antwort lautet: Indem man sich rohe Clickstream-Daten zu Nutze macht und verschiedene Machine Learning Techniken anwendet, um ein Modell zu schaffen, das den Conversion Intent der individuellen Webseitenbesucher:innen in Echtzeit vorhersagen kann. Das klingt nach elaborierten Technologien mit teuren Lizenzkosten? Im Gegenteil: Wir haben einzig und allein open-source Technologien verwendet, um ein solches Vorhersagemodell für einen unseren Kunden zu erstellen und einzusetzen. Die folgenden Schritte erklären unser Vorgehen in Kürze:

  • Als erstes sammelten wir Rohdaten von über 500’000 Sessions (unique website visits) inklusive aller Interaktionen, Scrolls und Engagement Indicators, die die Besucher:innen mit der Webseite hatte.
  • Als zweites wendeten wir eine Reihe Algorithmen auf die Daten an, um herauszufinden, welcher Algorithmus am besten die Browsingmuster erkennt. Nach vielen Testläufen fanden wir den Algorithmus, der am genauesten vorhersagen konnte, ob ein:e Besucher:in konvertieren wird oder nicht.
  • Als drittes stand nur noch die Challenge an, das Modell auch tatsächlich in die Praxis zu integrieren. Wir implementierten es durch den Google Tag Manager via verschiedene JavaScripts, die relevante Informationen sowohl sammeln als auch speichern, auf der Webseite.
  • Nun hatten wir ein Modell, das den Conversion Intent jedes einzelnen Besuchers und jeder einzelnen Besucherin in Echtzeit vorhersagen konnte. Diese Vorhersagen wurden im Anschluss noch in die gewünschte Werbeplattform eingespeist.
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Den Output des Vorhersagemodells nutzen

Als einmal alles stand, konnten wir den vorhergesagten Conversion Intent benutzen, um unsere Retargeting-Audiences zielgerichteter zu gestalten. Das verhindert, dass irrelevante oder uninteressierte Besucher:innen angesprochen werden und verbessert die Conversion Rate. Wir führten ein Experiment durch, das bestätigen sollte, ob unser Modell relevante und wertvolle Vorhersagen in Echtzeit machte. Wie genau lief das ab? Wir teilten die bestehende Retargeting-Audience aus Besucher:innen, die ein Produkt angeschaut oder zum Warenkorb hinzugefügt hatten, in zwei Experimentgruppen ein. Die Personen in der einen Experimentgruppe hatten einen tiefen Conversion Intent und diejenigen in der anderen Experimentgruppe hatten einen hohen Conversion Intent. Beide Gruppen hatten die gleiche Gebotsstrategie und sie wurden auf Facebook gleich oft retargeted. Die Hypothese für dieses Experiment lautete: «Die Conversion Rate der Gruppe mit einem hohen Conversion Intent ist statistisch besser als die der Gruppe mit einem tiefen Conversion Intent». Wir analysierten den Unterschied der beiden Gruppen und die Resultate waren beeindruckend.

Die Differenz in der Conversion Rate zwischen den zwei Gruppen war signifikant. Mit anderen Worten: Würden wir nur die Besucher:innen aus der Gruppe mit dem hohen Conversion Intent retargeten, hätten wir einen Conversion Uplift von 233% im Vergleich zur Gruppe mit tiefem Conversion Intent. Wichtig zu erwähnen ist jedoch Folgendes: Wenn das Ziel die Einnahmenmaximierung ist, empfehlen wir, die Kund:innen mit tiefem Conversion Intent nicht auszuschliessen. Denn auch in dieser Gruppe gibt es konvertierende Besucher:innen.

Obwohl das Modell noch nicht perfekt ist, beweist das Experiment, dass das Vorhersagemodell in der Lage  ist, solide vorherzusagen, welche Besucher:innen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit  konvertieren werden als andere. Die Frage der Zukunft ist jetzt: «Wie kann man den vorhergesagten Conversion Intent in Kampagnen benutzen, um die Conversion Rate zu steigern oder mehr Einnahmen zu generieren?». Wir führen momentan weitere Experimente durch, um eine Antwort auf diese Frage zu finden und sind auf der Suche nach technisch versierten Marketingfachleuten und Business Manager:innen, die uns dabei unterstützen wollen.

Alternative Anwendungsmöglichkeiten

Das vorgestellte Vorhersagemodell könnte nebst einer besseren Audience-Bestimmung weitere Zwecke erfüllen. Zum Beispiel könnte es dynamischen Content ausspielen, um das Einkaufserlebnis individueller Webseitenbesucher:innen zu verbessern. Zusätzlich könnte der vorhergesagte Conversion Intent für verbessertes Reporting benutzt werden. Da diese Metrik nicht nur einzelne Interaktionen, sondern die tatsächliche Absicht der Webseitenbesucher:innen widerspiegelt, lassen sich daraus Erkenntnisse über den User Intent spezifischer Besuchergruppen ableiten. Mit einer kleinen Anpassung könnte man dieses Modell ausserdem so verändern, dass es die erwarteten Einnahmen, die ein:e individuelle:r Besucher:in generieren wird, vorhersagen könnte.

Abschliessend lässt sich sagen, dass es durch eine sinnvolle Nutzung von Big Data, Machine Learning Techniken und open-source Software möglich ist, ein Vorhersagemodell zu kreieren, das Online Marketingfachleuten dabei hilft, relevante Personen zu retargeten und uninteressierte Webseitenbesucher:innen zu meiden. Wollen wir das nicht alle? Wenn wir den Output eines solchen Vorhersagemodells in unsere Marketingkampagnen integrieren, können wir potenziell eine viel bessere Conversion Rate generieren. Besonders wenn es darum geht, ein limitiertes Budget so effizient wie möglich auszugeben. Weiter kann ein solches Vorhersagemodell auch für dynamischen Content, verbessertes Reporting oder die Vorhersage von Einnahmen verwendet werden. Das stellt für technisch versierte Marketingfachleute eine neue Möglichkeit dar, innovativ und kreativ zu handeln.

Mit anderen Worten: Dieses Modell bietet viele verschiedene Anwendungsmöglichkeiten und damit ein neues Spielfeld im Online Marketing, in welchem Business Probleme mithilfe von Big Data und Machine Learning angegangen werden können.

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